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Brief für Unternehmer und Freiberufler des Monats Juni 2014


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Private Nutzung des Dienstwagens: Reichweite des Anscheinsbeweis

2.

"Cum-ex-Geschäfte": Wird Erwerber wirtschaftlicher Eigentümer?

3.

Steuersatz für eBooks und Online-Bibliotheken

4.

Steuerbefreiung für heilberufliche Tätigkeiten

5.

Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen: Neues vom BMF

6.

Ohne Leistungserbringung gibt es keinen Vorsteuerabzug aus Anzahlungen

7.

Warum Kaffee nicht begünstigt ist, Latte Macchiato aber ggf. doch

8.

Vollstreckungsaufschubvoraussetzungen

9

Berufsrecht: Werbung mit Kurzbezeichnung

10.

Lohnabrechnung: Pflicht zur Prüfung der Sozialversicherungspflicht (Berufsrecht)

11.

Finalität ausländischer Betriebsstättenverluste

12.

Rechtsprechungsänderung: Zur Haftung bei Subventionsbetrug

13.

Schlachtwertansatz bei Zuchtsauen?

14.

Reiner Weinbaubetrieb: Durchschnittssatzgewinnermittlung?

15.

GrEStG: Kann Erbengemeinschaft selbstständiger Rechtsträger sein?

16.

Investmentfonds und Steuerbefreiung

17.

Zur Bestimmbarkeit eines Personenkreises

18.

Flashmob-Aktionen als Arbeitskampfmittel

19.

Gewerberaummiete: Schönheitsreparaturen

20.

Betriebsratsbeschlussfassung: Zur Heilung von Ladungsfehlern

21.

Zur Dienstwagenüberlassung

22.

Zur Charakterisierung von Anschaffungsdarlehen als Dauerschuld

23.

"In camera"-Verfahren: Kostenentscheidung?

24.

Zur Veröffentlichung von schwerwiegenden berufsrechtlichen Verfehlungen unter Namensnennung

25.

AGB bei Gewerberaummiete

26.

Zur Unwirksamkeit des Kündigungsausschlusses einer "Nettopolice"

27.

Begünstigtes Betriebsvermögen und Pflichtteilsverbindlichkeiten


1. Private Nutzung des Dienstwagens: Reichweite des Anscheinsbeweis

Kernproblem
Die Rechtsprechung zur Dienstwagenbesteuerung beim Arbeitnehmer hat im vergangenen Jahr wesentliche Änderungen gebracht. Aufpassen müssen solche Arbeitnehmer, denen die Privatnutzung des Dienstwagens eingeräumt wurde, hiervon aber keinen Gebrauch machen und davon ausgehen, das hätte keine steuerliche Relevanz. Hier sagt der Bundesfinanzhof (BFH), dass allein die Möglichkeit der Privatnutzung zu einem geldwerten Vorteil führt. Dagegen kann sich das Finanzamt nicht mehr darauf berufen, dass der Beweis des ersten Anscheins immer für die Privatnutzung des Dienstwagens spricht. Diese Fälle betrafen vor allen Dingen Gesellschafter-Geschäftsführer oder familienangehörige Angestellte, denen zwar die Privatnutzung des Dienstwagens auf dem Papier untersagt war, hiervon aber nach Vermutung des Finanzamts mangels Überwachung des Nutzungsverbots regelmäßig Gebrauch machten.

Sachverhalt
Dem Sohn des Betriebsinhabers wurde ein Audi A6 Kombi zur dienstlichen Nutzung überlassen. Das Kennzeichen trug die Initialen des Sohnes, der als Privatwagen einen Porsche 911 fuhr. Vertraglich existierten lediglich ein über 20 Jahre alter Ausbildungsvertrag und eine Zusatzvereinbarung aus dem Jahr 1995, in der das private Nutzungsverbot eines Dienstwagens geregelt wurde. Weitere Verträge waren nach Auffassung des Vaters für den Sohn als künftigen Geschäftsinhaber nicht erforderlich. In der Lohnsteuer-Außenprüfung 2007 bis 2009 warf der Prüfer die fehlende Überwachung des Nutzungsverbots vor und setzte einen geldwerten Vorteil an. Der Vater argumentierte, die Einhaltung des Verbots mit dem Blick aus dem Fenster überwacht zu haben. Einspruch und Klage blieben erfolglos, die Revision wurde jedoch zugelassen.

Entscheidung
Der BFH sah die Revision als begründet an. Allein die Möglichkeit des Sohnes, als faktischer Geschäftsführer über das Fahrzeug zu bestimmen und daraus auf eine private Nutzungsbefugnis zu schließen, reiche nicht aus. Arbeitslohn liege nur insoweit vor, wie der Sohn zur Privatnutzung befugt sei. Das Finanzgericht habe daher zu prüfen, ob die Erlaubnis dafür gegebenenfalls aufgrund konkludent geschlossener Vereinbarung erfolgte. Zumindest reiche der Beweis des ersten Anscheins oder die fehlende Überwachung in Ermangelung einer Kontrollinstanz nicht aus. Auch wenn wie im Streitfall bei einer Zuwiderhandlung des Nutzungsverbots keine arbeits- oder strafrechtlichen Konsequenzen zu erwarten seien, rechtfertige dies keinen steuerstrafrechtlichen Generalverdacht.

Konsequenz
In der Beratungspraxis wird man sich darauf einstellen müssen, dass sich der Lohnsteuerprüfer verstärkt auf die Suche nach den Privatfahrten mit dem Dienstwagen machen wird.

2. "Cum-ex-Geschäfte": Wird Erwerber wirtschaftlicher Eigentümer?

Kernaussage
Mangels wirtschaftlichen Eigentums kann in bestimmten Konstellationen des sogenannten "Dividendenstrippings" keine doppelte Anrechnung von Kapitalertragsteuer erfolgen.

Sachverhalt
Aktien eines börsennotierten Unternehmens wurden mit ("Cum") Dividendenanspruch von einem ausländischen Broker im außerbörslichen Handel erworben. Die Lieferung der Aktien erfolgte nach dem Dividendenstichtag ("ex"). Diese Gestaltung wurde gewählt, da die Gesellschaft zwischenzeitlich eine Ausschüttung beschlossen hatte, die Auszahlung jedoch noch dem Alteigentümer zustand. Infolgedessen erhielt der Erwerber (eine GmbH) eine Art Dividendenausgleichszahlung. Anschließend wurden die Aktien zurückverkauft. Die das Depot verwaltende Bank bescheinigte dem Rechtsinhaber (Dividendenempfänger) sowie auch dem Erwerber den Einbehalt von Kapitalertragsteuer. Im entschiedenen Fall versagte das Finanzamt dem Erwerber die Anrechnung der Kapitalertragsteuer mit der Begründung, er sei nie wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien geworden. Hiergegen klagte der Erwerber. Das Finanzgericht (FG) Hamburg wies die Klage ab. Daraufhin legte der Erwerber Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.

Entscheidung
Der BFH hat aufgrund der Umstände der Geschäftsabwicklung wirtschaftliches Eigentum und damit die Anrechnungsmöglichkeit beim Erwerber verneint. Zum einen habe das Kreditinstitut den Erwerb fremdfinanziert. Zum anderen habe der Erwerber die Wertpapiere lediglich im Rahmen einer Wertpapierleihe gehalten. Des Weiteren habe der Erwerber das vollständige Marktpreisrisiko im Rahmen eines Total Return Swaps auf das Kreditinstitut übertragen. In solchen Fällen sei er nicht in der Lage, den Eigentümer aus seiner rechtlichen Stellung zu verdrängen. Mangels Kapitaleinkünften könne somit keine Anrechnung erfolgen. Auf dieser Basis hat der BFH die Sache an das FG zurückverwiesen, weil noch Ungewissheiten über die Höhe der festzusetzenden Körperschaftsteuer bestanden.

Konsequenz
Die Gestaltungen des Dividendenstrippings sowie der Wertpapierleihe beschäftigen gleichermaßen Gerichte und Finanzverwaltung. Mehrfach wurde vorher entschieden, dass das Dividendenstripping rechtmäßig ist. Nun schoben die Gerichte der Gestaltung zumindest für den Fall des fehlenden wirtschaftlichen Eigentums einen Riegel vor.

3. Steuersatz für eBooks und Online-Bibliotheken

Einführung
EBooks (elektronische Bücher) erfreuen sich zurzeit großer Beliebtheit. Umsatzsteuerlich hält sich der Spaß jedoch in Grenzen.

Aktuelle Verwaltungsanweisung
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt a. M. weist darauf hin, dass nur die Lieferung gedruckter Bücher dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Die Überlassung von eBooks stellt hingegen in der Regel überhaupt keine Lieferung dar, sofern diese, wie üblich, aus dem Internet heruntergeladen werden. In diesem Fall handelt es sich um eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung, die per se nicht begünstigt ist. Soweit die Überlassung allerdings zwischen Unternehmen erfolgt, z. B. zwischen Verlag und Buchhändler, kann der Umsatz gegebenenfalls auch eine begünstigte Übertragung eines Urheberrechtes darstellen. Nur wenn eBooks ausnahmsweise auf Datenträgern (z. B. CD-Rom) bereitgestellt werden, kann dies als Lieferung angesehen werden. Ob hier, entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung, der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist, wird demnächst der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden. Die Nutzung von eLibrarys (elektronische Bibliotheken) unterliegt dem Regelsteuersatz. Sofern Urheberrechte übertragen werden, vertritt die OFD die Ansicht, dass es sich um unbeachtliche Nebenleistungen handelt. Allerdings ist hierzu ebenfalls ein Verfahren anhängig, diesmal beim Bundesfinanzhof (BFH).

Konsequenzen
Die umsatzsteuerliche Erfassung von eBooks und eLibrarys ist nicht nur äußerst komplex, sondern auch noch nicht endgültig geklärt. Betroffene Unternehmen können die Verfügung dazu nutzen, um zu klären, als was ihre Umsätze zu qualifizieren sind. Sofern es sich um Umsätze handelt, deren Erfassung Gegenstand des derzeit beim EuGH oder des beim BFH anhängigen Verfahrens ist, so sollte in einem nächsten Schritt geprüft werden, ob es sich lohnt unter Berufung auf diese Verfahren, gegen die Auffassung der Finanzverwaltung vorzugehen. Unabhängig davon muss die weitere Rechtsentwicklung aufmerksam verfolgt werden.

4. Steuerbefreiung für heilberufliche Tätigkeiten

Einführung
Ärzte, Heilpraktiker und andere im Umsatzsteuergesetz (UStG) explizit aufgeführte Heilberufe sind steuerbefreit, sofern sie Leistungen erbringen, die der Behandlung von Krankheiten dienen, also ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Allerdings kommt die Befreiung auch für weitere, nicht im UStG aufgelistete Berufsgruppen in Betracht, wenn diese eine heilberufliche Tätigkeit ausüben, die den explizit im UStG bezeichneten Berufen ähnlich ist. In der Praxis ist die Abgrenzung schwierig und häufig Gegenstand der Rechtsprechung.

Neue Verwaltungsanweisung
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt a. M. gibt in einer aktuellen Verfügung, ergänzend zum Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE), einen Überblick über die Gesundheitsberufe, die eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit ausüben und solche, für die dies nicht zutrifft (z. B. Augenoptiker). Sofern eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit ausgeübt wird, ist diese nach Ansicht der OFD jedoch nur befreit, wenn sie aufgrund einer Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers oder im Rahmen einer Vorsorge- bzw. Rehabilitationsmaßnahme erbracht wird.

Konsequenzen
Unternehmen, die in der Gesundheitsbranche tätig sind, können mit Hilfe der Verfügung klären, ob sie eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit ausüben. Hinsichtlich des weiterhin nötigen Nachweises der medizinischen Indikation der konkreten Behandlung ist jedoch derzeit umstritten, ob statt der von der OFD geforderten ärztlichen Verordnung auch andere Nachweise, z. B. ein Gutachten, anzuerkennen sind. Der Bundesfinanzhof (BFH) wird demnächst hierzu eine Entscheidung fällen. Sofern die Befreiung also alleine aufgrund des fehlenden Nachweises versagt wird, ist zu prüfen, ob der Nachweis in anderer Form erbracht werden kann und gegebenenfalls ein Rechtsbehelf einzulegen ist. Die OFD lässt entsprechende Verfahren bis zur Entscheidung durch den BFH ruhen.

5. Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen: Neues vom BMF

Einführung
Die jüngste Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen hat für erhebliche Aufregung gesorgt. Insbesondere Subunternehmer fürchten nun um ihre Existenz, sollte die Finanzverwaltung ihnen für die Vergangenheit keinen Vertrauensschutz gewähren. Wie angekündigt, hat das Bundesfinanzministerium (BMF) nun erneut zu dieser Problematik Stellung bezogen.

Neue Verwaltungsanweisung
Das BMF weist zunächst auf Folgendes hin: Der Leistungsempfänger kann den Nachweis, dass er Steuerschuldner ist, durch eine schriftliche Bestätigung erbringen, in der er darauf hinweist, dass er die bezogene Bauleistung seinerseits zur Erbringung einer Bauleistung verwendet. Die Bestätigung kann im Werkvertrag oder separat unter Benennung des konkreten Bauvorhabens erfolgen. Organträger sind dann Steuerschuldner für Bauleistungen, die an ein Unternehmen des Organkreises erbracht werden, wenn der Organträger selbst oder eine Organgesellschaft die Bauleistung bezieht, um hiermit selbst eine Bauleistung zu erbringen. Bauleistungen, die für den nichtunternehmerischen Bereich des Leistungsempfängers (z. B. der privaten Immobilie) erbracht werden, sind grundsätzlich nicht mehr von der Umkehr der Steuerschuldnerschaft betroffen. Zuletzt erläutert das BMF die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Übergangsregelung. Demnach können folgende Bauvorhaben, die vor dem 15.2.2014 begonnen wurden, noch nach der alten Rechtslage abgerechnet werden: Bei Fertigstellung vor dem 15.2.2014 und bei Fertigstellung ab dem 15.2.2014, sofern Anzahlungen zuvor nach der alten Rechtslage geleistet wurden. Das BMF gibt hierzu erläuternde Beispiele.

Konsequenzen
Leider gibt das BMF noch immer keine Antwort auf die für die Praxis entscheidende Frage: Gibt es Vertrauensschutz für die Subunternehmer oder nicht. Im Gegenteil, durch die Neufassung der Übergangsregelung wird es noch mehr Subunternehmern ermöglicht, noch nach der überholten Rechtsauffassung abzurechnen. Dies mag gut gemeint sein, wird den Subunternehmern aber dann gegebenenfalls zum Verhängnis, wenn ihnen kein Vertrauensschutz gewährt wird. Gerade Subunternehmer sollten daher derzeit auf jeden Fall steuerlichen Rat einholen, bevor sie Bauvorhaben abrechnen. Außerdem ist die Frage zu klären, ob die Rechnungen für abgeschlossene und schon abgerechnete Bauvorhaben korrigiert werden sollten.

6. Ohne Leistungserbringung gibt es keinen Vorsteuerabzug aus Anzahlungen

Kernfrage
Wer Anzahlungen leistet, kann hieraus grundsätzlich die Vorsteuer ziehen, sofern ihm hierzu eine ordnungsgemäße Anzahlungsrechnung vorliegt. Nach Erbringung der Leistung wird die Anzahlung dann im Rahmen der Schlussrechnung berücksichtigt. Der Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat nun zu der Frage Stellung bezogen, was passiert, wenn die angezahlte Leistung niemals erbracht wird.

Sachverhalt
Ein bulgarisches Unternehmen leistete eine Anzahlung für eine Lieferung, die tatsächlich aber nie erbracht wurde. Die zuständige Finanzverwaltung versagte den Vorsteuerabzug. Zur Begründung verwies sie auf die Nicht-Erbringung der Leistung, aber auch darauf, dass der Umsatz der Steuerhinterziehung gedient habe. Letztendlich landete der Fall beim EuGH. Dieser sollte über den Vorsteuerabzug entscheiden, wobei er berücksichtigen musste, dass die Anzahlung nicht zurückgezahlt wurde und der vermeintliche Lieferant unverändert zur Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet war.

Entscheidung
Der EuGH verweist zunächst darauf, dass dem Unternehmen der Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der Zahlung nur dann verweigert werden könnte, wenn objektiv bewiesen wäre, dass das Unternehmen hätte wissen müssen, dass der Umsatz Bestandteil eines Steuerbetruges ist. Allerdings verweist der EuGH auch darauf, dass unabhängig von der Klärung der vorigen Frage durch das nationale Gericht, der Vorsteuerabzug spätestens nach Ausbleiben der Leistung zu korrigieren ist. Dabei sei es unerheblich, ob die Anzahlung zurückgezahlt wird oder ob der Lieferant unverändert zur Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet ist.

Konsequenzen
Es ist ganz einfach: Werden Anzahlungen geleistet, aber die zugehörige Leistung nicht erbracht, gibt es keinen Vorsteuerabzug bzw. muss eine Korrektur des bis dato vorgenommen Vorsteuerabzuges vorgenommen werden. Auf die Rückzahlung der Anzahlung durch den vermeintlichen Lieferanten oder dessen Verpflichtung, die Umsatzsteuer weiterhin abzuführen, kommt es hierbei nicht an.

7. Warum Kaffee nicht begünstigt ist, Latte Macchiato aber ggf. doch

Einführung
Die Differenzierung zwischen ermäßigtem und Regelsteuersatz ist regelmäßig Anlass für gerichtliche Auseinandersetzungen. Ursache hierfür ist, dass die Unterscheidung häufig weder logischem Denken zugänglich noch gerecht ist. Ein Paradebeispiel hierfür liefert eine aktuelle Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt a. M., die sich mit der Begünstigung für Kaffee auseinandersetzt. Grund für die Verfügung ist, dass Unternehmer unter Berufung auf die Rechtsprechung zur Abgrenzung von begünstigten Lebensmitteln zu nicht begünstigten Restaurationsleistungen, Kaffee zum ermäßigten Steuersatz anbieten. Dies gilt wohl insbesondere für Kaffee der zur Mitnahme durch den Kunden gedacht ist ("coffee-to-go"), da hier definitiv keine Restaurationsleistungen vorliegen.

Neue Verwaltungsanweisung
Die OFD verweist darauf, dass zubereiteter Kaffee jedoch nicht als begünstigtes Lebensmittel angesehen wird, sondern lediglich Kaffeebohnen oder -pulver. Demnach unterliegt zubereiteter Kaffee, als nichtalkoholisches Getränk, dem Regelsteuersatz. Dagegen kann ein Latte Macchiato als Milchmischgetränk begünstigt sein, sofern der Milchanteil mindestens 75 % beträgt.

Konsequenzen
Wer glaubt er könnte dem Problem entgehen, in dem er Tee trinkt, irrt. Hier gelten die gleichen Grundsätze. Begünstigt ist nur der "Rohstoff" nicht jedoch die zubereiteten Getränke. Dies soll selbst dann gelten, wenn sich der Kunde das Getränk am Automaten aus Kaffeepulver mit heißem Wasser selbst herstellen muss. Hier führt das Mischen von 2 für sich begünstigten Ingredienzien zur Versagung der Begünstigung, also quasi "7 % und 7 % gleich 19 %". Wer jedoch unbedingt begünstigt Kaffee trinken möchte, sollte darauf bestehen einen Latte Macchiato mit mindestens 75 % Milchanteil zu erhalten, der dann aber nicht vor Ort getrunken werden darf. Wenn die Verfügung eines verständlich aufzeigt, dann, dass die Abschaffung des ermäßigten Steuersatzes, die oft propagiert, aber nie ernsthaft angegangen wurde, einen wesentlichen Beitrag zu einem einfacheren und "gerechteren" Umsatzsteuerrecht leisten würde.

8. Vollstreckungsaufschubvoraussetzungen

Kernaussage
Soweit im Einzelfall die Vollstreckung eine unbillige Härte darstellt, kann die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben. Ob dieses Ermessen der Behörde im vorläufigen Rechtsverfahren auch dem Gericht zusteht, wenn keine Ermessensreduzierung auf null vorliegt, ist umstritten. Das Finanzgericht geht von einem gerichtlichen Interimsermessen aus.

Sachverhalt
Die Antragstellerin beantragt im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollstreckungsaufschub. Sie sei seit 25 Jahren selbständig tätig und in der Vergangenheit ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen. Ende 2012 sei sie unverschuldet in eine finanzielle Schieflage geraten, weil Aufträge nach Erbringung erheblicher Vorleistungen durch sie storniert worden seien. Daher konnte sie die Ende 2012 fällig gewordenen Steuern nicht aufbringen. Die Antragstellerin rechnet jedoch in naher Zukunft mit der Generierung von Aufträgen. Das Finanzamt betreibt die Vollstreckung wegen Forderungen in Höhe von 41.000 EUR. Die Antragstellerin beantragt Vollstreckungsaufschub.

Entscheidung
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Das Gericht kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Da es dem Gericht grundsätzlich verwehrt ist, anstelle der Verwaltung eine Ermessensentscheidung zu treffen, bestehen lediglich in den Fällen der Ermessensreduzierung auf null keine Bedenken gegen eine einstweilige Anordnung. Das Finanzgericht geht von der gerichtlichen Befugnis aus, im Rahmen der einstweiligen Anordnung im Hinblick auf Billigkeitsentscheidungen wie Stundung, Erlass oder Vollstreckung Interimsermessen auszuüben. Der zulässige Antrag war jedoch unbegründet, da die weiteren Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vorlagen. Insbesondere war eine kurzfristige Tilgung bei der Antragstellerin nicht zu erwarten. Vielmehr hatte sie lediglich zur vagen Hoffnung auf die Erteilung lukrativer Aufträge vorgetragen.

Konsequenz
Um Vollstreckungsschutz zu erlangen, müssen der Höhe nach angemessene Raten angeboten werden, um somit eine kurzfristige Tilgung der Steuerschulden zu dokumentieren. Der Antrag kann auch im gerichtlichen Verfahren gestellt werden.

9. Berufsrecht: Werbung mit Kurzbezeichnung

Kernaussage
Auch wenn Rechtsanwälten mittlerweile zahlreiche Rechtsformen für die gemeinschaftliche Berufsausübung zur Verfügung stehen, hat der Verkehr die berechtigte Erwartung, dass sich die unter einer einheitlichen Kurzbezeichnung auftretenden Berufsträger unter Aufgabe ihrer beruflichen und unternehmerischen Selbständigkeit zu gemeinschaftlicher Berufsausübung in einer haftungsrechtlichen Einheit verbunden haben. Eine Bürogemeinschaft oder Kooperation unternehmerisch eigenständiger Berufsträger wird der Verkehr unter einer einheitlichen Kurzbezeichnung nur bei hinreichend deutlichen Hinweisen erkennen.

Sachverhalt
Der beklagte Rechtsanwalt verwendete einen Briefbogen mit dem Titel "HM Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater". In der Kanzlei arbeiten nur Rechtsanwälte. Klein stand unten auf dem Briefbogen, dass mit den M. Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern kooperiert wird. Hiergegen klagte ein anderer Anwalt und berief sich auf einen Wettbewerbsverstoß. Nachdem das Landgericht (LG) und das Oberlandesgericht (OLG) die Klage abgewiesen hatten ging der Anwalt in Revision zum Bundesgerichtshof (BGH).

Entscheidung
Der BGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und gab dem klagenden Anwalt Recht. Auch wenn Rechtsanwälten mittlerweile zahlreiche Rechtsformen für die gemeinschaftliche Berufsausübung zur Verfügung stehen, hat der Verkehr die berechtigte Erwartung, dass sich die unter einer einheitlichen Kurzbezeichnung auftretenden Berufsträger unter Aufgabe ihrer beruflichen und unternehmerischen Selbständigkeit zu gemeinschaftlicher Berufsausübung in einer haftungsrechtlichen Einheit verbunden haben. Eine Bürogemeinschaft oder Kooperation unternehmerisch eigenständiger Berufsträger wird der Verkehr unter einer einheitlichen Kurzbezeichnung nur bei hinreichend deutlichen Hinweisen erkennen. Da hier nicht der Eindruck einer bloßen Kooperation sondern einer haftungsrechtlichen Einheit erweckt wird, liegt eine Irreführung vor, die als wettbewerbswidrig einzustufen ist. Denn es haftet hier - anders als dem Anschein nach - nur der Handelnde und nicht die Einheit.

Konsequenz
In letzter Zeit ist verstärkt zu beobachten, dass Briefköpfe von Berufskooperationen "aufgebläht" werden. Hier sollte der Mandant kritisch prüfen, mit wem er es zu tun hat und ob die Angaben stimmen.

10. Lohnabrechnung: Pflicht zur Prüfung der Sozialversicherungspflicht (Berufsrecht)

Kernaussage
Ein Steuerberater ist gehalten, bei einem Beratungsmandat, das die Abrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen umfasst, auch die Frage zu klären, ob der GmbH-Fremdgeschäftsführer in seiner Funktion einer sozialversicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung nachgeht oder er als selbständig Tätiger von der Versicherungspflicht befreit ist.

Sachverhalt
Die Klägerin ist ein Zusammenschluss von Körperschaften zur Tourismusförderung. Der Geschäftsführer der Klägerin war bei einer Vorgängergesellschaft versicherungsfrei. Bei der Klägerin unterlag der Geschäftsführer bei außergewöhnlichen Geschäften der Kontrolle des Aufsichtsrats und konnte nach seinem Anstellungsvertrag den Ort seiner Tätigkeit nicht frei bestimmen. Infolge einer Betriebsprüfung wurde der Kläger als versicherungspflichtig eingestuft und gegenüber der Klägerin ein Beitragsbescheid inklusive Säumniszuschlägen in Höhe von circa 68.000 EUR erlassen. Nach erfolglosem Widerspruch klagte die Klägerin erfolglos vor dem Sozialgericht. Hiergegen ging die Klägerin in Berufung vor das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg.

Entscheidung
Die Berufung blieb erfolglos. Zunächst war der Geschäftsführer nicht sozialversicherungsfrei. Er war an der Klägerin nicht beteiligt und konnte nicht schalten und walten wie er wollte. Nach dem Arbeitsvertrag war er nicht hinsichtlich des Orts der Arbeitsausführung frei und nach dem Gesellschaftsvertrag wurde er vom Aufsichtsrat kontrolliert und überwacht. Soweit der steuerliche Berater, der die Lohnabrechnungen besorgt hat, nicht geprüft hat, ob tatsächlich eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht vorliegt, ist der Klägerin dieses Fehlverhalten zuzurechnen.

Konsequenz
Vorliegend wurde gegen die Pflicht verstoßen, die Sozialversicherungspflicht bei einem Geschäftsführer zu prüfen. Aufgrund der einschneidenden Konsequenzen bei nachträglicher Feststellung der Sozialversicherungspflicht und der Probleme des Regresses beim Angestellten sollte im Zweifel das Statusfeststellungsverfahren durchgeführt werden.

11. Finalität ausländischer Betriebsstättenverluste

Kernfrage
Die Entscheidung behandelt die Frage, wann finale Betriebsstättenverluste vorliegen, die ausnahmsweise im Staat des Stammhauses steuerlich zu berücksichtigen sind, obwohl die sogenannte Symmetriethese ansonsten eine ausschließliche Berücksichtigung im Quellenstaat vorsieht.

Sachverhalt
Zwischen der Klägerin, einer deutschen GmbH, und dem Finanzamt (FA) war die Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste strittig, die die Klägerin durch ihre gewerbliche Tätigkeit in einer belgischen Betriebsstätte erlitten hatte. Die Betriebsstätte wurde ohne Nutzbarmachung der im Quellenstaat entstandenen Betriebsstättenverluste an eine belgische Kapitalgesellschaft veräußert. Das Finanzgericht gab der Klage statt, die Revision des FA vor dem Bundesfinanzhof (BFH) blieb erfolglos.

Entscheidung
Der BFH verweist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH), nach der sogenannte finale Verluste in Deutschland trotz der prinzipiellen Freistellung ausnahmsweise abzugsfähig sind, wenn sie im Quellenstaat definitiv nicht mehr verwertet werden können und deswegen die unionsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit einzufordern ist. Ohne Bedeutung ist nach Auffassung des Gerichts in diesem Zusammenhang, dass die streitgegenständlichen Betriebstättenverluste danach womöglich bei einem neuerlichen Engagement der Klägerin in Belgien in irgendeiner Weise - beispielsweise durch Wiedereröffnung einer Betriebstätte - steuerlich zukünftig nutzbar wären, bzw. dass die Finalität durch einen "willkürlichen" Verkauf der Betriebstätte generiert worden wäre. Im letzteren Fall ist zwar zu prüfen, ob ein Verstoß gegen den allgemeinen abgabenrechtlichen Missbrauchsvorbehalt (§ 42 Abgabenordnung (AO)) vorliegt; jedoch ließ sich aus dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt ableiten, dass für den Verkauf eindeutig betriebswirtschaftliche Gründe sprachen.

Konsequenz
Durch den Verkauf einer verlustbehafteten Einkunftsquelle können finale Betriebsstättenverluste entstehen, die eine Berücksichtigung im Stammhausstaat erforderlich machen. Von einem Missbrauch kann dabei nur ausnahmsweise ausgegangen werden, soweit § 42 AO einschlägig ist.

12. Rechtsprechungsänderung: Zur Haftung bei Subventionsbetrug

Kernaussage
Nach geänderter Rechtsprechung des III. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) wird im Falle der Täterschaft oder Teilnahme an einem Subventionsbetrug keine Haftung aufgrund von Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei ausgelöst.

Sachverhalt
Das Finanzamt nahm den Kläger in einem Bescheid wegen einer der GmbH zu Unrecht gewährten Investitionszulage für das Jahr 1994 in Höhe von 520.000 DM (= 265.871 EUR) als Haftungsschuldner in Anspruch. Der Kläger wurde in dieser Sache mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug verurteilt.

Entscheidung
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage zurück. Der BFH hob die Vorentscheidung und den Haftungsbescheid auf. Die Haftung des Klägers war – im Einklang mit der bisherigen Senatsrechtsprechung – zu Unrecht angenommen worden. Der Senat hält an der Anwendbarkeit der Haftungsnorm in Fällen, in denen sich eine Person als Gehilfe eines Subventionsbetrugs strafbar gemacht hat, nicht fest. Die allgemeine Verweisung auf die Anwendung der Abgabenordnung (AO) erlaubt es nicht, dass ein auf die "Erschleichung" einer Investitionszulage gerichtetes Verhalten als Steuerhinterziehung zu behandeln ist. Die Investitionszulage ist weder eine Steuer, noch handelt es sich um eine Steuervergütung. Auch durch den Verweis auf die Anwendung der Steuervergütungsvorschriften der AO wird die Investitionszulage abgabenrechtlich nicht in eine Steuervergütung umqualifiziert. Der Verweis dient lediglich der Regelung des Investitionszulageverfahrens. Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung der Steuerhinterziehungs-Vorschrift lagen ebenfalls nicht vor. Ein gegebenenfalls verwirklichter deliktischer Schadensersatzanspruch kann nicht durch einen Haftungsbescheid geltend gemacht werden.

Konsequenz
Eine steuerliche Haftung wegen der Täterschaft oder Teilnahme an einem Subventionsbetrug scheidet nunmehr aus. Bestehen bleiben aber die weitreichenden strafrechtlichen Sanktionen. Darüber hinaus können erhebliche zivilrechtliche Forderungen ausgelöst werden, welche in der Rückzahlung der Fördermittel begründet sein können.

13. Schlachtwertansatz bei Zuchtsauen?

Kernaussage
Für Tiere des Anlagevermögens, für die die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG in Anspruch genommen wird, ist die Höhe der Gewinnminderung nicht durch einen zu erwartenden Schlachtwert begrenzt, wenn sie vor ihrem Verkauf nicht extra aufgemästet werden.

Sachverhalt
Der Kläger ist Landwirt und betreibt einen Schweinezuchtbetrieb. Er ermittelt den Gewinn des abweichenden Wirtschaftsjahres durch Betriebsvermögensvergleich. Die im Betrieb gehaltenen Sauen werden zunächst zur Zucht eingesetzt. Lässt die Eignung der Sauen für Zuchtzwecke nach und wird die Zucht mit ihnen unwirtschaftlich, werden sie unverzüglich nach dem Absetzen der Ferkel bzw. dem Umrauschen der Schlachtung zugeführt. Der Kläger ergriff keine Maßnahmen zur Förderung der Verkaufsfähigkeit oder der Steigerung des Verkaufswerts der entsprechenden Sauen. Die Tiere wurden bis zur Schlachtung, die regelmäßig nur wenige Tage später erfolgte, auf herkömmliche Weise gefüttert und versorgt. Der Landwirt bewertete in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2003) zunächst den dem Anlagevermögen zugerechneten Schweinebestand mit den Richtwerten für die Gruppenbewertung. Er unterteilte seine Schweine dabei nach dem jeweiligen Aufzuchtstadium in Zuchteber, Ferkel, Jungsauen und Sauen; den Sauenbestand unterteilte er nochmals in Neuzugänge und Zuchtsauen. Diejenigen Sauen, die im Laufe eines Jahres von Jungsauen zu Sauen versetzt wurden, schrieb er im Jahr ihres Zugangs auf einen Erinnerungswert von 1 EUR ab. Bei einer für die Jahre 1999 bis 2001 durchgeführten Betriebsprüfung nahm das Finanzamt (FA) eine Gewinnkorrektur vor, indem es für die Zuchtsauen einen Schlachtwert von jeweils 150 EUR anstelle des Erinnerungswerts von 1 EUR ansetzte. Der dagegen eingelegte Einspruch des Landwirts hatte keinen Erfolg. Daraufhin erhob der Landwirt Klage beim Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht (FG), das dem Kläger Recht gab. Die Revision des FA beim Bundesfinanzhof (BFH) blieb erfolglos.

Entscheidung
Der BFH gab dem Kläger Recht. Die Inanspruchnahme des § 6 Abs. 2 EStG bis auf einen Erinnerungswert von jeweils 1 EUR in Höhe der vollen Herstellungskosten sei zulässig und der Betriebsausgabenabzug nicht durch einen zu berücksichtigenden Schlachtwert im Sinne eines Restwerts begrenzt. Eine kurzfristige Fütterung der Sauen vor dem Abverkauf führe zu keinem Umwidmungsakt. Etwas anderes ergab sich nach dem BFH auch nicht daraus, dass der Schlachtwert von 150 EUR pro Tier nicht wesentlich geringer ist als dessen Herstellungskosten von 180 EUR. Bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die unter den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 2 EStG fallen, sei ausgeschlossen, dass noch ein wesentlicher Restwert im Zeitpunkt der Umwidmung existiert.

Konsequenz
Der BFH stellt in seinem Urteil klar, dass eine Umwidmung von Anlagevermögen in Umlaufvermögen nicht gegeben ist, wenn Zuchtsauen lediglich aus Wirtschaftlichkeitsgründen aus dem Zuchtbetrieb genommen werden und anschließend zeitnah der Schlachtung zugeführt werden. Eine kurzfristige Fütterung habe nicht zur Folge, dass Wirtschaftsgüter anderer Marktgängigkeit entstanden sind.

14. Reiner Weinbaubetrieb: Durchschnittssatzgewinnermittlung?

Kernaussage
Der Gewinn darf für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nur dann nach Durchschnittssätzen ermittelt werden, wenn zu ihm selbst bewirtschaftete landwirtschaftliche Nutzflächen gehören. Für Betriebe, deren Tätigkeit sich auf eine Sondernutzung (hier: Weinbau) beschränkt, ist der Gewinn dagegen nach allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln.

Sachverhalt
Der Kläger betrieb im Nebenerwerb einen reinen Weinbaubetrieb auf 4,55 a Hof- und Gebäudefläche (Eigentum) und 46,14 a zugepachtete Weinbaufläche. Er hatte im Veranlagungsverfahren Verluste aus Land- und Forstwirtschaft im Rahmen einer Einnahme-Überschuss-Rechnung geltend gemacht. Das Finanzamt hatte dagegen den Gewinn nach Durchschnittsätzen ermittelt, da seiner Ansicht nach kein wirksamer (fristgerechter) Antrag auf andere Gewinnermittlung gestellt worden war. Das Finanzgericht (FG) ging von einem wirksam gestellten Antrag aus und gab dem Kläger Recht.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigte zwar die Berücksichtigung der Verluste, jedoch aus anderen Gründen. Für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft darf der Gewinn nur dann nach Durchschnittssätzen ermittelt werden, wenn zu ihm selbst bewirtschaftete landwirtschaftliche Nutzflächen gehören. Die Durchschnittssatzgewinnermittlung ist damit solchen Kleinbetrieben nicht gestattet, deren Tätigkeit sich auf eine Sondernutzung (im vorliegenden Fall Weinbau) beschränkt. Für diese Betriebe gelten die allgemeinen Grundsätze, so dass der Gewinn mangels Buchführungspflicht nach dem Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben zu ermitteln ist, sofern der Steuerpflichtige nicht den Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG ausdrücklich wählt. Da der Kläger nicht zur Führung von Büchern verpflichtet war und auch freiwillig keine Bücher geführt und Abschlüsse aufgestellt hatte, waren die Einkünfte im Wege der Einnahmen-Überschussrechnung zu ermitteln. Der Kläger hatte seine Einkünfte entsprechend ermittelt. Für die Entscheidung kam es daher nicht darauf an, ob der Antrag auf Nichtanwendung der Durchschnittssatzgewinnermittlung rechtzeitig gestellt worden war.

Konsequenz
Der BFH bestätigt mit dem Urteil seine bisherige Rechtsprechung.

15. GrEStG: Kann Erbengemeinschaft selbstständiger Rechtsträger sein?

Kernfrage
Eine Erbengemeinschaft ist zivilrechtlich nicht rechtsfähig. Sie stellt keine eigenständige Rechtspersönlichkeit dar und ist somit auch nicht parteifähig, sondern handelt im Rechtssinn durch ihre einzelnen Mitglieder entsprechend deren Erbanteile. Der Bundesfinanzhof hat diesen zivilrechtlichen Grundsatz für Zwecke der Grunderwerbsteuer durchbrochen und die Erbengemeinschaft wie eine Gesellschaft behandelt.

Sachverhalt
Eine Erbengemeinschaft bestehend aus 2 jeweils hälftig beteiligten Erben war Inhaberin einer 85 %igen Beteiligung an einer GmbH. Die GmbH wiederum hielt Grundbesitz. Durch verschiedene gesellschaftsrechtliche Transaktionen - unter anderem eine Kapitalerhöhung, deren Konsequenzen streitig geblieben sind - war die Erbengemeinschaft zuletzt Alleingesellschafter der grundbesitzhaltenden GmbH geworden. Daraufhin setzte das Finanzamt gegen die Erbengemeinschaft Grunderwerbsteuer fest. Hiergegen wandten sich die Erben mit der Begründung, die Erbengemeinschaft sei nicht rechtsfähig, es sei darauf abzustellen, dass die GmbH Beteiligung den Erben zuzurechnen sei.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof urteilte, dass die Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Erwerberin im Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes sein könne. Das Erreichen der Alleingesellschafterstellung bei der GmbH wiederum stelle in seiner wirtschaftlichen Bedeutung den Erwerb von Grundbesitz dar. Erlangt eine Erbengemeinschaft mehr als 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft, wird sie grunderwerbsteuerrechtlich ebenso behandelt, als habe sie das Grundstück von der Gesellschaft erworben. Auf die Erbteile der Miterben sei nicht abzustellen, weil die Erbengemeinschaft als einheitlicher Rechtsträger anzusehen sei. Wegen der auch in der Revision noch streitigen Fragen um die Kapitalerhöhung wurde die Sache im Übrigen zur erneuten Verhandlung an das Finanzgericht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück verwiesen.

Konsequenz
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs durchbricht das zivilrechtliche Verständnis der Erbengemeinschaft und ihrer Rechts- beziehungsweise Parteifähigkeit für Zwecke der Grunderwerbsteuer. Hier muss die Erbengemeinschaft jetzt als einheitlicher Rechtsträger gesehen werden; ein Abstellen auf einzelne Erbteile ist nicht (mehr) möglich.

16. Investmentfonds und Steuerbefreiung

Kernaussage
Besteht zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat eine wechselseitige Verpflichtung zur Amtshilfe, können Dividenden nicht aufgrund von Steuerkontrolle der Steuerpflicht unterliegen. Die nationalen Gerichte entscheiden, ob das jeweilige Informationsaustauschverfahren eine Überprüfung des Investmentfonds gestattet.

Sachverhalt
Das polnische Körperschaftsteuergesetz sieht eine Steuerbefreiung für Investmentfonds vor, wenn sich der Sitz der Gesellschaft in Polen befindet. Der Kläger, ein amerikanischer Investmentfonds mit Beteiligungen an polnischen Gesellschaften, beantragte beim Finanzamt für die Jahre 2005 und 2006 die Erstattung der pauschalen Körperschaftsteuer von 15 %, die auf die Dividenden erhoben wurde. Die Dividenden wurden von in Polen ansässigen Gesellschaften an den Fond gezahlt. Der Antrag wurde abgelehnt. Darauf wurde Klage vor dem Verwaltungsgericht eingelegt. Das Gericht wandte sich daraufhin an den EuGH mit der Bitte um Prüfung, ob die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Dividenden an polnische Empfänger sowie an Drittstaatenfonds das Unionsrecht verletze.

Entscheidung
Die unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen mit unterschiedlichen Wohnorten stelle eine Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs dar, so die Richter. Eine wirksame Beschränkung sei nur zulässig, wenn die Überprüfung der Bedingungen für den Steuervorteil von behördlichen Auskünften des Drittstaates abhinge und diese nicht durch vertragliche Verpflichtungen zur Auskunftserteilung zu erhalten seien. Zwischen Polen und der USA bestehe eine solche vertragliche Verpflichtung. Die nationalen Gerichte müssten daher entscheiden, ob das konkrete Informationsaustauschverfahren eine geeignete Überprüfung durch die polnische Steuerbehörde ermöglicht. Potenzielle Steuermindereinnahmen rechtfertigen nach Auffassung des Gerichts keine derartige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit.

Konsequenz
Einschränkungen von Steuerbefreiungen, bei denen Steuerinländer und Steuerausländer unterschiedlich behandelt werden, unterliegen strengen unionsrechtlichen Vorgaben. Eine Benachteiligung von Steuerausländern kann nicht mit der Begründung von möglichen Steuerausfällen begründet werden, wenn der Staat gleichzeitig geeignete Informationen über die tatsächliche Besteuerung der Dividende erlangen kann.

17. Zur Bestimmbarkeit eines Personenkreises

Rechtslage
Setzt ein Erblasser einen Erben ein, den er zugleich verpflichtet mit dem geerbten Vermögen einen bestimmten Personenkreis zu fördern, stellt sich erbschaftsteuerlich die Frage, wer zur Erbschaftsteuer herangezogen wird. Ist der Personenkreis dergestalt unbestimmt, dass kein konkreter Begünstigter zu ermitteln ist, dann handelt es sich erbschaftsteuerlich um eine sogenannte Zweckzuwendung, die beim unmittelbaren Erben der Erbschaftsteuer unterworfen wird. Ist der Kreis der Begünstigten bestimmbar, werden diese zur Erbschaftsteuer herangezogen. Das Finanzgericht Münster hat zu den Voraussetzungen der Annahme einer Zweckzuwendung entschieden, aber die Revision zum Bundesfinanzhof ausdrücklich zugelassen.

Sachverhalt
Die Erblasserin hatte ihren ehemaligen Arbeitgeber zum Erben eingesetzt, diesem aber zur Auflage gemacht, dass er mit dem geerbten Vermögen Arbeitnehmer unterstützen müsse, die in Not geraten seien und die diese Not nicht durch andere Mittel, gleich von welcher Seite, lindern könnten. Das Finanzamt sah hierin eine Zweckzuwendung an einen unbestimmten Personenkreis und zog den Arbeitgeber zur Erbschaftsteuer heran. Dieser trug vor, die Auflage als Nachlassverbindlichkeit abziehen zu können.

Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Auffassung des Finanzamtes Recht. Eine Zweckzuwendung sei anzunehmen, wenn eine Zuwendung zweckgebunden erfolge und sich an einen unbestimmten Personenkreis richte. Dabei sei der Personenkreis dann unbestimmt, wenn die begünstigten Personen nur vage beschrieben und persönlich nicht ermittelbar seien. So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Insoweit sei es nicht ausreichend, dass der Personenkreis auf die Arbeitnehmer des Erben beschränkt sei. Denn aus dieser Beschränkung könnten noch keine Rückschlüsse darauf gezogen werden, wer letztendlich aus dem Personenkreis heraus begünstigt sein könnte.

Konsequenz
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Allerdings wird man nach ihr (einstweilen) annehmen müssen, dass es zur Vermeidung einer Zweckzuwendung nicht ausreichend ist, einen begünstigten Personenkreis zu beschreiben. Zusätzlich muss es auch dazu kommen, dass die letztendlich begünstigten Personen über die Begünstigungsvoraussetzungen bestimmt werden können.

18. Flashmob-Aktionen als Arbeitskampfmittel

Rechtslage
Die Koalitionsfreiheit von Arbeitnehmern in Gewerkschaften und Arbeitgebern in Arbeitgeberverbänden zur Bündelung und Durchsetzung ihrer jeweiligen Interessen ist verfassungsrechtlich geschützt. Mit geschützt sind damit auch Arbeitskampfmaßnahmen, wie beispielsweise ein Streik, der stets in die verfassungsrechtlich geschützte Position des anderen Seite eingreift. Das Bundesverfassungsgericht hatte nunmehr Gelegenheit über den verfassungsrechtlichen Schutz einer modernen Arbeitskampfmaßnahme, hier eines Flashmobs, zu entscheiden.

Sachverhalt
Die Gewerkschaft verdi hatte anlässlich eines Streiks im Einzelhandel zu einem Flashmob dergestalt aufgerufen, dass in einem Supermarkt, in dem "Streikbrecher" arbeiteten, gezielt Kassen blockiert werden sollten, unter anderem durch Kauf von Cent-Artikeln. Dem Aufruf folgten für eine Dauer von einer knappen Stunde rund 50 Streikende. Der Arbeitgeberverband wollte, nachdem er in allen arbeitsgerichtlichen Instanzen unterlegen war, durch das Bundesverfassungsgericht geklärt wissen, dass die Durchführung von Flashmobs als Arbeitskampfmittel in die verfassungsrechtlich geschützte Position der Arbeitgeber eingreift und zu unterlassen ist.

Entscheidung
Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Wie bei einem Streik stehe Arbeitgebern, beispielsweise über das Hausrecht oder kurzfristige Betriebsschließungen, Gegenmaßnahmen gegen einen Flashmob zur Verfügung. Dies führe dazu, dass die Gewerkschaften durch einen solchen Flashmob kein Übergewicht im Arbeitskampf erzielen. Im Übrigen würden sich Flashmob-Aktionen als Arbeitskampfmittel nach den gleichen Grundvoraussetzungen, insbesondere Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit, richten wie andere Arbeitskampfmittel.

Konsequenz
Mit der Nichtannahmeentscheidung werden die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen rechtskräftig. Flashmobs sind als moderne Arbeitskampfmaßnahme, so lange sie verhältnismäßig bleiben, zulässig.

19. Gewerberaummiete: Schönheitsreparaturen

Rechtslage
Mietvertragsklauseln zu Schönheitsreparaturen sind seit jeher sowohl in der Wohnraummiete als auch in der Gewerbemiete umstritten. Dies gilt insbesondere deshalb, weil auf sie das Recht über allgemeine Geschäftsbedingungen angewendet wird. Sie dürfen also insbesondere nicht überraschend oder willkürlich sein. In den letzten Jahren hat sich eine verhältnismäßig klare Linie in der Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturen entwickelt, die der Bundesgerichtshof jetzt weiter entwickelt hat.

Sachverhalt
Streitig war folgende Mietvertragsklausel bei einem Gewerbeobjekt: "Der Mieter ist verpflichtet, die Schönheitsreparaturen in einem angemessenen Turnus auszuführen. Im Hinblick auf das Gewerbe des Mieters gehen die Parteien davon aus, dass alle 3 Jahre Renovierungsbedürftigkeit eintreten kann. Bei Beendigung des Mietverhältnisses ist das Mietobjekt in bezugsfertigem Zustand zurück zu geben." Insbesondere stand die Formulierung der Rückgabe in "bezugsfertigem Zustand" in Streit

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass die Klausel einer rechtlichen Überprüfung standhält und wirksam ist. Da eine konkrete Frist fehle, sei die Klausel in sich nicht unangemessen. Da die Durchführung der Schönheitsreparaturen zudem auch vom Bedarf abhängig gemacht werde, sei sie insoweit nicht zu beanstanden. Auch die Formulierung des "bezugsfertigen Zustands" sei nicht zu beanstanden, weil sie gerade keine vollständige Renovierung, sondern lediglich Rückgabe in einem Zustand fordere, die es dem Vermieter möglich mache, das Mietobjekt nur in einem zum Einzug geeigneten Zustand einem neuen Mieter zur Verfügung zu stellen.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt die Leitlinien für zulässige Schönheitsreparaturklauseln gut auf. Unzulässig sind starre Fristen und Verpflichtungen unabhängig vom Benutzungsgrad. Hinzu kommt, dass wohl auch Klauseln zulässig sind, wenn sie keinen endrenovierten Zustand festschreiben.

20. Betriebsratsbeschlussfassung: Zur Heilung von Ladungsfehlern

Rechtslage
Das Betriebsverfassungsgesetz sieht formelle Einberufungsvoraussetzungen für das Abhalten von Betriebsratssitzungen vor (beispielsweise Ladungsfristen). Werden diese formellen Voraussetzungen nicht eingehalten, stellt sich die Frage, welche Folge dies für Beschlüsse des Betriebsrates hat. Bisher führten Ladungsfehler zu deren Unwirksamkeit. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Rechtsprechung nunmehr geändert und entschieden unter welchen Voraussetzungen formelle Einberufungsmängel geheilt werden können.

Sachverhalt
Ein Vorbetriebsrat hatte unter Verstoß gegen formelle Einberufungsregelungen (es war keine Tagesordnung mitgeteilt worden) eine Betriebsvereinbarung beschlossen, die der nachfolgende Betriebsrat mit der Begründung gegenüber dem Arbeitgeber fristlos kündigte, die erste Beschlussfassung sei rechtswidrig erfolgt, so dass der Erstbeschluss unwirksam gewesen sei. Hiergegen klagte der Arbeitgeber auf Feststellung, dass die fristlose Kündigung unzulässig sei.

Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht gab seine bisherige Rechtsprechung auf. Zur Heilung eines Ladungsfehlers sei es ausreichend, dass die beschlussfähig erschienenen Mitglieder des Betriebsrates einstimmig die Änderung oder die Erstellung einer Tagesordnung beschließen. Die Anwesenheit aller Betriebsratsmitglieder sei - entgegen der bisherigen Rechtsprechung - nicht mehr erforderlich. Die bisherige Argumentation, dass alle Betriebsratsmitglieder die Gelegenheit haben müssten, an einer Änderung der Tagesordnung mitzuwirken trage deshalb nicht (mehr), weil Ersatzbetriebsratsmitglieder die Beschlussfähigkeit des Betriebsrates sicherstellten.

Konsequenz
Die Entscheidung stellt eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar. Sie führt dazu, dass Ladungsfehler durch einen beschlussfähigen Betriebsrat durch einstimmigen Beschluss behoben und geheilt werden können.

21. Zur Dienstwagenüberlassung

Kernaussage
Kommt ein Finanzgericht (FG) zu dem Entschluss, dass mit einem PKW Privatfahrten durchgeführt werden dürfen, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt umso mehr, wenn sich der Kläger in seiner Argumentation darin beschränkt, die Schlussfolgerungen des FG zu bestreiten. Die Untersagung einer privaten Nutzungsmöglichkeit ist explizit schriftlich zu vereinbaren.

Sachverhalt
Der Kläger war bei einer GmbH beschäftigt. Wenngleich ihm laut Arbeitsvertrag kein Fahrzeug zustand, überließ ihm die Gesellschaft in den Jahren 2006 bis 2009 jeweils ein Fahrzeug der Marke BMW. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung wurde die private Nutzungsmöglichkeit sowohl für allgemeine Privatfahrten als auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nachversteuert. Der Prüfer gelangte zu der Erkenntnis, dass dem Kläger das Fahrzeug uneingeschränkt und kostenlos auch zur privaten Nutzung überlassen wurde. Mangels Fahrtenbuch erfolgte die Versteuerung mittels 1 %-Regelung zuzüglich Pauschalberechnung für den Arbeitsweg. Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide wurde Einspruch und schließlich Klage vor dem FG erhoben. Das FG wies die Klage ab.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) folgte im Revisionsverfahren dem FG. Die Argumentation des Klägers beschränkte sich vollends auf die tatsächlichen Feststellungen des FG. Nach Auffassung des BFH hatte das FG die Gesamtumstände der PKW-Überlassung korrekt gewürdigt. Zwar habe es eine mündliche Absprache gegeben, wonach Privatfahrten "in der Regel" zu unterlassen seien. Darin habe das FG jedoch korrekterweise kein allgemeines Verbot für Privatfahrten gesehen.

Konsequenz
Das Urteil überrascht nicht. Der Anscheinsbeweis einer privaten Nutzung sollte durch eine eindeutige schriftliche Fixierung eines Nutzungsverbots entkräftet werden. Darüber hinaus sollte die Einhaltung des Nutzungsverbots regelmäßig überprüft werden.

22. Zur Charakterisierung von Anschaffungsdarlehen als Dauerschuld

Kernaussage
Die Charakterisierung einer Verbindlichkeit als Dauerschuld erfolgt im Zeitpunkt des Eintretens in das Schuldverhältnis und ist unabhängig von einer späteren Änderung des Gesellschaftszwecks und der Umwidmung eines Grundstücks in Umlaufvermögen.

Sachverhalt
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), erwarb im Jahr 1996 mehrere Gebäude. Zum 31.12.2004 und 31.12.2005 wies die GbR die Grundstücke im Anlagevermögen und die Anschaffungsdarlehen als Verbindlichkeiten aus. Ein Gebäude wurde Ende 2004 abgerissen, um dort 8 Eigentumswohnungen zu errichten, die im Jahr 2005 verkauft wurden. Am 8.11.2004 schloss die GbR einen Universalkreditvertrag mit der Sparkasse. Danach wurde zweckgebunden zur Errichtung der 8 Eigentumswohnungen ein Bauzwischenkredit von 200.000 EUR aufgenommen und ein Avalkredit über 2.583.000 EUR. Vertraglich geregelt wurde die Einrichtung eines Bauzwischenkontos und eines Erlöskontos, über welches die Käufer den Kaufpreis zu entrichten hatten und welches dem Ausgleich des Bauzwischenkontos durch die Sparkasse diente. Eine Vereinbarung über die Tilgung der ursprünglichen Kredite enthielt der Vertrag nicht. Nach einer Betriebsprüfung für die Kalenderjahre 2003 bis 2005 erfolgte die Umqualifizierung des Grundstücks in Umlaufvermögen. In den geänderten Bescheiden über den Gewerbesteuermessbetrag wurden die auf das Grundstück entfallenden Zinsen weiterhin als Entgelte für Dauerschulden hinzurechnet. Hiergegen wurde Einspruch erhoben und schließlich Klage eingereicht.

Entscheidung
Der Einspruch wurde abgelehnt und die entsprechende Klage zurückgewiesen. Die Einstufung als Dauerschuld wird ausschließlich im Zeitpunkt der Kreditaufnahme bestimmt und ändert sich nicht durch eine spätere Änderung des Gesellschaftszwecks und Umwidmung des Grundstücks. Ist der Dauerschuldcharakter einmal festgestellt, ändert sich dies bis zum Erlöschen der Schuld nicht. Im vorliegenden Fall wurden die Grundstücke zum dauerhaften Verbleib in der Gesellschaft angeschafft. Eine Verkaufsabsicht lag nicht vor, so dass auch keine Verknüpfung dahingehend bestand, dass spätere Erlöse ausschließlich zur Tilgung der Kredite dienten.

Konsequenz
Das Urteil erging zur mittlerweile überholten Gesetzeslage bis einschließlich Erhebungszeitraum 2007. Seitdem werden sowohl kurzfristige als auch langfristige Finanzierungszinsen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags hinzugerechnet. Zur Altregelung gilt weiterhin, dass lediglich das Erlöschen der Schuld die rechtliche Einordnung als Dauerschuld beenden kann.

23. "In camera"-Verfahren: Kostenentscheidung?

Kernaussage
Das Verfahren nach § 86 Abs. 3 FGO (sogenanntes in camera-Verfahren) ist jedenfalls dann ein unselbständiges Zwischenverfahren ohne eigenständige Kostenentscheidung, wenn der Antrag nach § 86 Abs. 3 FGO erfolglos geblieben und/oder die im Rahmen des § 86 Abs. 3 FGO in Anspruch genommene Behörde Beteiligte auch des Hauptsacheverfahrens ist.

Sachverhalt
Der Antragsteller beantragte in dem seine Geschäftsführerhaftung wegen Umsatzsteuer 2002 und 2003 betreffenden Klageverfahren beim Finanzgericht (FG) durch den Bundesfinanzhof (BFH) festzustellen, dass die Weigerung der Vorlage des vollständigen Berichts zum Umsatzsteuerbetrug aus 2011 durch das beklagte Finanzamt (FA) rechtswidrig war. Dieser Bericht, den das FG nicht angefordert hatte, war ihm zusammen mit anderen Akten versehentlich übermittelt und auf entsprechenden Hinweis des FA zurückgesandt worden. Dies erfolgte zugleich mit dem Hinweis an die Beteiligten, dass der Bericht nicht Bestandteil der Akten sei, die das Gericht der Entscheidungsfindung zugrunde legen würden.

Entscheidung
Der BFH wies den Antrag als unzulässig zurück. Nach § 86 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) sind Behörden grundsätzlich zur Vorlage von Urkunden und Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Nach Abs. 2 der Vorschrift kann die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente und die Erteilung von Auskünften verweigert werden, wenn die Vorgänge aus bestimmten Gründen geheim gehalten werden müssen. Nach Abs. 3 der Vorschrift stellt der BFH auf Antrag eines Beteiligten in den Fällen der Abs. 1 und 2 ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente oder die Verweigerung der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Vorliegend waren jedoch durch das FG gar keine Auskünfte oder Unterlagen angefordert worden. Die Vorschrift ist auch nicht auf Fälle anzuwenden, in denen das FA versehentlich übersandte Unterlagen zurückfordert. Eine Kostenentscheidung erfolgt infolge des Antrags nicht, da es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren handelt, das keiner eigenen Kostenentscheidung bedarf. Diese erfolgt mit der Hauptsache.

Konsequenz
Hinsichtlich der Kostenentscheidung hat sich die Rechtsprechung geändert. Bislang wurde der Zwischenstreit nach § 86 Abs. 3 FGO als selbstständiges Nebenverfahren qualifiziert, so dass der Beschluss eine Kostenentscheidung enthalten musste. Dies ist jetzt nicht mehr der Fall.

24. Zur Veröffentlichung von schwerwiegenden berufsrechtlichen Verfehlungen unter Namensnennung

Kernaussage
Die richterlich angeordnete, nichtanonymisierte Veröffentlichung einer berufsgerichtlichen Entscheidung, mit der besonders schwerwiegende berufsrechtliche Verfehlungen sanktioniert werden, verstößt nicht gegen das Persönlichkeitsrecht.

Sachverhalt
Der Beschwerdeführer ist niedergelassener Facharzt. Ihm wurde von der Ärztekammer vorgehalten, gegenüber Privatpatienten Rechnungen erstellt zu haben, die nicht in Einklang mit der Gebührenordnung für Ärzte stünden. Dabei ging es um die Abrechnung von "Sitzungen" ohne persönliche Anwesenheit der Patienten in der Praxis. Die Verletzung der Berufspflichten stellte das Berufsgericht in allen 4 zur Verhandlung stehenden Fällen fest. Es entzog dem Beschwerdeführer das passive Berufswahlrecht und verhängte eine Geldbuße in Höhe von 25.000 EUR. Zudem ordnete das Gericht an, dass das Urteil nach Rechtskraft im Ärzteblatt der zuständigen Ärztekammer unter voller Namensnennung veröffentlicht werden darf. Das Landesberufungsgericht reduzierte die Geldbuße auf 20.000 EUR, bestätigte jedoch die weiteren Sanktionen. Gegen diese Entscheidungen legte der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde ein. Diese blieb erfolglos.

Entscheidung
Die Veröffentlichung der Verurteilung unter voller Namensnennung setze den Arzt zwar in der Öffentlichkeit herab, jedoch hat die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse an einer solchen Information. Es handelt sich um eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage, da die Vorschrift Fehlverhalten sanktionieren soll, welches das schützenswerte Vertrauen, das Angehörigen der Heilberufe entgegengebracht wird, erschüttert oder zu erschüttern droht. Das Interesse der Allgemeinheit, insbesondere der Gemeinschaft der Versicherten und der Kammerangehörigen, die ihr Verhalten nach Kenntnis des Fehlverhaltens ausrichten können, rechtfertigt eine nicht anonymisierte Veröffentlichung. Sofern es sich um die Veröffentlichung vereinzelter, herausgehobener Fälle handelt, ist dies verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Verhältnismäßigkeit ist durch ausschließliche und einmalige Veröffentlichung in einem berufsrechtlichen Medium gewahrt.

Konsequenz
In insgesamt 8 Landes - Heilberufekammergesetzen ist vorgesehen, dass die berufsrechtliche Verurteilung eines Arztes mit einer Veröffentlichung des vollen Namens im Ärzteblatt einhergehen kann. Ärzte haben also je nachdem, in welchem Bundesland sie praktizieren, mit unterschiedlichen Konsequenzen durch ihre Verfehlungen zu rechnen.

25. AGB bei Gewerberaummiete

Kernaussage
Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Vertragsparteien bei der Gewerberaummiete in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbaren, dass der Vermieter im Anschluss an Nebenkostenabrechnungen die Höhe der Nebenkostenvorauszahlungen durch einseitige Erklärung anpassen darf. Die Ausübung dieses Anpassungsrechts unterliegt nicht dem Schriftformerfordernis.

Sachverhalt
Die Klägerin vermietete im März 2005 noch fertig zu stellende Büroräume und Parkplätze an die Beklagte. Der Vertrag wurde befristet auf die Dauer von 5 Jahren, mit einmaliger Verlängerungsoption um 5 Jahre. § 5 Ziffer 1 des Vertrags bestimmt, dass sich das aus einer Nebenkostenvorauszahlung ergebende Guthaben unverzüglich gegenseitig auszugleichen sei. In diesen Fällen sowie bei einer Erhöhung oder Senkung der Betriebskosten, dürfe seitens der Vermieterin der monatlich zu zahlende Vorschuss entsprechend neu festgesetzt werden. Neben einer doppelten Schriftformklausel enthielt der Vertrag auch eine Schriftformheilungsklausel. Anfang März 2009 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis "fristgerecht zum Ablauf des 30.9.2009". Die Klägerin machte mit ihrer Klage u. a. die Restmieten bis einschließlich August 2010 geltend und gewann in den ersten beiden Instanzen. Die Beklagte ging darauf in Revision zum Bundesgerichtshof (BGH).

Entscheidung
Die Revision blieb erfolglos. § 5 des Mietvertrages begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Ausübung des Anpassungsrechts unterliegt nicht dem Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB. Nach dieser Norm gilt ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht schriftlich abgeschlossen wird, als für unbestimmte Zeit abgeschlossen. Da in der Ausübung des Anpassungsrechts kein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis vorlag, galt der auf längere Zeit als ein Jahr abgeschlossene Gewerberaummietvertrag ab der Anpassung der Vorauszahlungshöhe nicht als für unbestimmte Zeit abgeschlossen. Das Mietverhältnis wurde deshalb nicht durch Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 30.9.2009 beendet. Da der Mietvertrag eine feste Laufzeit hatte, fehlte es an einem ordentlichen Kündigungsrecht. Dem steht auch nicht der Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses entgegen, einem späteren Grundstückserwerber Klarheit über die Bedingungen eines langfristigen Mietvertrags zu verschaffen. Dieser Zweck kann auch in anderen Fallgestaltungen nicht umfassend gewährleistet werden. Dem Schutzbedürfnis eines späteren Grundstückserwerbers ist dadurch Rechnung getragen, dass ihn die Vertragsbestimmung darauf hinweist, dass eine die Vorauszahlungshöhe gegenüber der Vertragsurkunde ändernde Festsetzung erfolgt sein kann.

Konsequenz
Der BGH bestätigt mit seiner Entscheidung seine Rechtsprechung hinsichtlich Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses in § 550 Satz 1 BGB. Es reicht aus, dass der Erwerber durch eine entsprechende Vertragsbestimmung hinreichend gewarnt ist, dass eine von der Vertragsurkunde abweichende Regelung zwischen den Parteien getroffen worden sein kann.

26. Zur Unwirksamkeit des Kündigungsausschlusses einer "Nettopolice"

Kernaussage
Die Vereinbarung der Unkündbarkeit einer Kostenausgleichsvereinbarung ("Nettopolice"), welche ein Lebensversicherer zusammen mit dem Abschluss einer Lebens- und Rentenversicherung mit dem Versicherungsnehmer vereinbart, ist unzulässig.

Sachverhalt
Die Klägerin, ein in Lichtenstein ansässiger Lebensversicherer, bot den Abschluss fondsgebundener Rentenversicherungen an. Auf einem einheitlichen Formular wurden ein Versicherungsvertrag und eine sogenannte Kostenausgleichsvereinbarung abgeschlossen. In der Kostenausgleichsvereinbarung verpflichtet sich der Versicherungsnehmer einen bestimmten Betrag für Abschluss- und Einrichtungskosten in 48 monatlichen Raten zu zahlen. In ihr ist bestimmt, dass die Auflösung des Versicherungsvertrages nicht zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung führt und diese auch nicht kündbar ist. Die Beklagte widerrief den Versicherungsvertrag und stellte sämtliche Zahlungen ein.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof entschied in der Revision, dass der Kündigungsausschluss unzulässig ist, da er den Versicherungsnehmer nach den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen unangemessen benachteiligt. Obwohl kein Verstoß gegen die rechtlichen Rückkaufswertvorgaben vorliegt, kann eine Unkündbarkeit der Vereinbarung dazu führen, dass der Versicherungsnehmer mit Verbindlichkeiten belastet wird, die über dem Rückkaufswert liegen. Während ein Abzug bei der Verrechnung der Abschlusskosten mit den Prämien allenfalls dazu führen kann, dass der Versicherungsnehmer keinen oder einen nur geringfügigen Rückkaufswert erhält, erhält er hier trotz Kündigung der Versicherung nicht nur keinen Rückkaufswert, sondern er muss weitere Zahlungen an den Versicherer leisten. Dies stellt eine unangemessene Benachteiligung dar. Konkret hatte der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag aufgrund des allgemeinen 30tägigen Widerrufsrechts bei Lebensversicherungen widerrufen und damit auch der Kostenausgleichsvereinbarung die Grundlage entzogen.

Konsequenz
Die Entscheidung setzt ein positives Signal für die Verbraucher. Renten- und Lebensversicherern wird es erschwert, unabhängig von der Beendigung der Renten- und Lebensversicherung, beispielsweise durch eine "unabhängige" Kostenausgleichsvereinbarung, die Provisions- und Abschlussgebühren zu kassieren. Bei unüberlegt abgeschlossenen Verträgen sollte der Verbraucher das aus § 8 VVG folgende Widerrufsrecht nutzen.

27. Begünstigtes Betriebsvermögen und Pflichtteilsverbindlichkeiten

Rechtslage
Nachlassverbindlichkeiten sind im Rahmen der Erbschaftsteuer (zunächst) abzugsfähig. Gehört zum Nachlass aber steuerbefreites Vermögen (z. B. Betriebsvermögen) und stehen die Verbindlichkeiten mit dem erbschaftsteuerbefreiten Vermögen im Zusammenhang, dann sind diese Verbindlichkeiten nur in dem Verhältnis abzugsfähig, das dem Verhältnis von erbschaftsteuerfreiem Vermögen zum Gesamtnachlass entspricht. Vor diesem Hintergrund hatte das Finanzgericht Münster über die volle oder lediglich anteilige Abzugsfähigkeit von Pflichtteilsansprüchen zu entscheiden.

Sachverhalt
Ein Erblasser hatte seine Kinder lediglich zu Nacherben eingesetzt. Daher machten die Kinder gegenüber dem Vorerben ihre Pflichtteilsansprüche geltend. Da zum Nachlass steuerbefreites Betriebsvermögen gehörte, berücksichtigte das Finanzamt die in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten geltend gemachten Pflichtteilsansprüche anteilig. Hiergegen wandte sich der Vorerbe mit der Begründung, dass die Pflichtteilsansprüche zwar aus dem gesamten Nachlass zu berechnen seien, aber nicht im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betriebsvermögen stünden.

Entscheidung
Das Finanzgericht Münster gab dem Finanzamt Recht, ließ aber die Revision zum Bundesfinanzhof zu. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Verbindlichkeiten und erbschaftsteuerbefreitem Vermögen bestehe dann, wenn die Entstehung der Verbindlichkeit ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruhe, die das privilegierte Vermögen betreffen. Diese unmittelbare Verknüpfung liege hier vor, da die wirtschaftliche Belastung des begünstigten Vermögens daraus resultiert, dass die Höhe der Verbindlichkeit nach dem begünstigten Vermögen bemessen wurde. Die Verknüpfung der Pflichtteilsverbindlichkeit mit der Erbschaft in ihrer Gesamtheit folge aus dem Charakter des Pflichtteilsrechts.

Konsequenz
Die Entscheidung hätte, wenn der Bundesfinanzhof sie bestätigt, weitreichende Folgen. Denn aus der Begründung folgt, dass der Pflichtteilsanspruch mit jedem einzelnen Nachlassbestandteil verknüpft ist. Soweit im Rahmen der Erbschaftsteuer Privilegien für einzelne Nachlassbestandteile gewährt werden, wäre die Verbindlichkeit aus einem Pflichtteilsanspruch also immer zu kürzen.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen



Stephan Gißewski
Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
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